Eberhard Rotes aus Katalog zu „Die Verwandlung“

„Sie haben zu lange im Walde gleschlafen“ heißt ein berühmtes Werk von Max Ernst, Musterbeispiel aller menschlichen Metamorphose.

Zu lange im Walde geschlafen; Helma hat mit ihren traumhaft farbbrütenden Bildern zu Kafkas „Verwandlung“ endgültig zur großen Form gefunden. Die Wirkung ist erstaunlich. Bedrückung geht von ihnen aus, aber, eng damit verbunden, zugleich auch Befreiung. Es ist die Befreiung nach Innen zu sich selbst. Sie wird in der Tiefe am Grunde des Bewußtseins gefunden. Damit ist Helma in Bezirke vorgestoßen, die weit hinter und unter den Regionen gesellschaftlicher Kommunikation liegen, nämlich in die Schicht des existentiellen Bewusstseins gefunden. Damit setzt Helma ins Sichtbare, unheimlich und zugleich bestechend schön, als sollte man von Undine – in die Reiche unter den Wassern gezogen oder von Hermes, dem Boten zwischen hier und dort, heimgeholt werden. Poesie geht von den Bildern aus, ein Lied auf gesprungenen Saiten.

Auch sie setzt das Zimmer ins Bild, Gregors Zimmer, die Zelle seiner Einsamkeit mit dem Stuhl, der Pritsche, den feuchtgrauen Wänden und dem versperrten Fenster. Doch beginnen aus dem Herzpunkt der Einsamkeit die inneren Wälder und Gärten zu wuchern mit den Tieren, die darin zuhause sind, und Zeit bei Zeit überwuchern sie den ganzen lnnenraum und wachsen darüber hinaus. Das hat etwas Märchenhaftes, genauer, es wurzelt in der Erlebnisschicht, aus der die Kinder, nicht nur die Kinder, sondern in lebendiger Erinnerung  auch wir „Erwachsenen“ (was heißt das schon?) die Märchen auffassen. Und nun ist eine Position erreicht, von der aus gesehen auf dem Hintergrund von Kafkas Erzählung Schatten aufleuchten, die, soviel ich weiß, bis- her kaum wahrgenommen worden sind.

Eberhard Roters
aus Katalogtext zu ,,Die Verwandlung“